Tankerparkplatz Geltinger Bucht

25 „arbeitslose“ Supertanker wurden in der Geltinger Bucht „geparkt“,
ohne Rücksicht auf die Umweltbelastung für die Bucht und
das Landschaftsschutz- bzw. das Naturschutzgebiet!

 

Beginn Der Spiegel 18/1978 vom 01.05.1978:

Der Spiegel 18 - 1978

Der Spiegel vom 01.05.1978 Tanker in der Geltinger Bucht

TANKER

Viereckige Augen

Ein Trupp frustrierter Seeleute wacht über die stillgelegten Tanker in der Geltinger Bucht. Liebste Beschäftigung: Fernsehen, Biertrinken und Basteln.

Mildred Scheel kam ganz in Blau, berichtete „Bild“ am nächsten Tag. Und bevor die Flasche „Henkell trocken“ am Schiffsrumpf des Supertankers „Bonn“ zerbarst, sprach auch der Bundespräsident ein passendes Wort: „Es ist für alle beruhigend zu wissen, daß dieser Tanker wirklich auf Fahrt gehen wird.“

Eineinhalb Jahre später ist die Fahrt gestoppt. Wenn der 190-Millionen-Mark-Koloß, mit 393.000 Tonnen Tragfähigkeit das größte in Westdeutschland gebaute Schiff, seine Fracht bei Le Havre gelöscht hat, bleibt ihm vermutlich nur noch die Route um das Skagerrak: Als elfter Großtanker würde die „Bonn“ in der Geltinger Bucht vor Anker gehen und auf ungewisse Einsätze warten.

Die Tresen-Runde im „Café Seeblick“ freut sich auf den Neuling: „Die soll nur kommen, hier ist es schön, und wir haben noch Platz.“

Das Café, das sein Prädikat eigentlich nicht so recht verdient — Hochprozentiges hat deutlich das Übergewicht -, ist zur Heimstatt von einigen Dutzend Seeleuten geworden, die den Schiffsfriedhof pflegen.

Tanker im Wert von gut einer Milliarde Mark liegen derzeit in der Geltinger Bucht vor Anker. Die Veba-Chemie (Großaktionär: der Bund) etwa steuert vier Schiffe, darunter die beiden 240 000-Tonner aus der Goethe-Serie „Faust“ und „Egmont“.

Die Hamburger Essberger-Reederei vertäute ihre drei größten Schiffe vor Gelting, für die „Heinrich“ endete bereits die Jungfernreise auf dem Abstellplatz. Allein für Personal, Reparaturen und Versicherungen werden im Jahr 5,4 Millionen Mark fällig.

„Das ist natürlich in Piräus billiger“, sinnt Essberger-Finanzchef Heinz Spaehder. „Die binden 25 Schiffe hintereinander und lassen einen Rentner mit einem Fahrrad aufpassen.“

Die Veba mottete die Hälfte ihrer Tankerflotte — obwohl sie dringend Frachtraum braucht — ein. Die Rechnung geht dennoch auf. „Unser 240 000-Tonner verdampft zwischen Persischem Golf und Rotterdam im Jahr für neun Millionen Mark Treibstoff und für acht Millionen Mark Betriebskosten“, rechnet ein Veba-Mann vor. „Zur Zeit kriegt man aber schon für zehn Millionen Mark zusammen ein Schiff.“ Ein Branchen-Kollege ergänzt: „Denn unter den Billigflaggen fahren die los, wenn der Sprit bezahlt ist.“

So lotst die Veba ihr Öl auf fremden Tankern in die Bundesrepublik und schickt die mit 30 Millionen Mark aus einem Bonner Tankerfonds subventionierten eigenen Schiffe auf den Parkplatz bei Gelting. Wenn auch die „Bonn“ mit Spezialankern und Trossen „vermurt“ wird, schwimmen 112 Millionen Mark aus Bonn nutzlos in der Ostseebucht — als Attraktion für Touristen.

Manchmal kurvt ein Butterdampfer zwischen den Kolossen umher. Für eine Mark bestaunen die Fahrgäste die steilen Stahlwände und die riesigen Schiffsschrauben, die algenbedeckt halb aus dem Wasser ragen.

Manchmal sehen die Butterschiffe auch Menschen an Bord der Geisterschiffe. Auf den zusammengezurrten Essberger-Dampfern etwa schieben insgesamt 14 Mann Wache. Kapitän Gunnar Sörensen hat seinen Leuten den gleichen Rhythmus wie auf See verordnet: 7.30 Uhr Frühstück, zwölf Uhr Mittagessen, 17 Uhr Feierabend.

„Ohne Ordnung ginge das hier nicht.“ Wer nicht zur Crew „paßt“ oder sich zu oft betrinkt, wird zur Reederei zurückgeschickt. „Daß man nicht fährt, sondern einfach so liegt, hält nicht jeder aus“, gibt ein Pumpenmann zu.

Die Arbeit ist monoton. Tag für Tag prüft etwa der Ingenieur Felix Klaiber die Maschine. Wenn er fertig ist, fängt er wieder von vorn an. Nach der Endlos-Methode wird auch der Rost bekämpft, die Verankerung der Taue geprüft. „Um die Tausende von Schmierstellen zu versorgen, kann man zwei Mann ewig beschäftigen.“

Einmal, während eines Sturms“ ist ein Verbindungstau gerissen, das „John Augustus“ und „Heinrich“ zusammenhielt. Zwar halten Dutzende dieser Taue die Schiffe zusammen, aber immerhin.

Sturm und Feuer sind die fiktiven Gefahren, die sich das verlorene Häuflein immer wieder einredet. Vor dem Schlafengehen sucht der Kapitän jeden Abend sein riesiges Geisterschiff nach einem glimmenden Zigarettenstummel ab. Gefunden hat er noch keinen.

Da die Sicherheitsvorschriften die Männer rund um die Uhr auf den stillen Riesen festhalten, ist abends Fernsehzeit. Drei westdeutsche und ein dänischer Kanal bestrahlen die Friedhofs-Flotte.

„Weil man aber sonst viereckige Augen kriegt“, webt Sörensen zwischen Vogelbauer und Topfpflanzen zuweilen an einem Teppich. Der Ingenieur baut Buddelschiffe.

Wenn es wärmer ist, wird auch mal eine Grillparty veranstaltet. Griffbereit für den Sommer lehnen auch die Liegestühle in der Kommandobrücke der „John Augustus“.

Korpsgeist nach Art der Suez-Seeleute, die im blockierten Kanal auf ihren Schiffen gegeneinander Fußball spielten, gibt es in der Ostsee-Bucht nicht. Nur wenn nachmittags in Rettungsbooten der Abfall an Land geschippert wird, machen die trockengelegten Seeleute gemeinsame Sache. Im Café Seeblick brüten sie zusammen vor sich hin und gießen Bier auf das „überflüssige Gefühl“. Meistens mit Erfolg.

Ende Der Spiegel 18/1978 vom 01.05.1978:

1995

Nach der Aufgabe der ehemaligen Kaserne Sandkoppel der Marine hat es in der Gemeinde Nieby bereits mehrere Versuche gegeben, dieses Gebiet kommerziell zu nutzen.

Bisher wurde jedoch die dafür notwendige Entlassung

aus dem Landschaftsschutz nicht erreicht.

Alle bisherigen Versuche der kommerziellen Bebauung sind daher immer gescheitert.