Gastanker aus Beton

Das Objekt der Begierde

Natur- und Landschaftsschutzgebiet

Geltinger Birk

und die Geltinger Bucht

 

Naturschutzgebiet Geltinger Birk 2

Naturschutzgebiet Geltinger Birk Bild 2 Blick auf die Wiedervernässungsfläche

Immer wieder wurde, in den zurückliegenden Jahrzehnten versucht, direkt in diesem äußerst sensiblen Gebiet oder in der anliegenden, ebenfalls sensiblen,  Geltinger Bucht mit geplanten Maßnahmen die intakte Natur „zu vergewaltigen“, kommerzielle Interessen waren dabei immer im Vordergrund.

Eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten, bisher fehlgeschlagenen aber teilweise erschreckenden Versuche:

1976

Eine Megabetonwerft für Gastanker sollte im Landschaftsschutzgebiet in der
Nähe des NSG-Gebietes Geltinger-Birk gebaut werden. Durch diese Maßnahme
wären gleichermaßen weitere Industrie-Investitionen
– bis hinauf zu Atomkraftwerken möglich gewesen.

 

Beginn: Der Spiegel 10/1976 vom 10.03.1976:

 

Gastanker

Der Spiegel vom 01.03.1976 zur Umwelt in der Geltinger Bucht

UMWELT

Geheimer Beton

Ein Münchner Unternehmen plant im Erholungsgebiet Geltinger Bucht nahe Flensburg eine Werft für Flüssiggas-Tanker aus Beton. Naturschützer wehren sich — bisher vergeblich — gegen das Projekt.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg und sein Kieler Kabinett retten sich in Tarn-Sprüche, wenn sie nach dem neuesten Investor ihres Küstenlandes gefragt werden: „Es handelt sich“, pflegen die Regierungssprecher Fragen nach einem geheimnisvollen Projekt an der Geltinger Bucht nahe Flensburg zu beantworten, „um ein Unternehmen, das Betonschwimmkörper in großer Abmessung herzustellen beabsichtigt.“

Die Diskretion der Landesherren gilt dem Münchner Bauriesen Dyckerhoff & Widmann (Jahresumsatz: 1,3 Milliarden Mark), der an dem Ostsee-Parkplatz für arbeitslose Großtanker auch noch eine Werft für Flüssiggas-Tanker bauen will. Kosten der mit einem 300 Meter langen Dock ausgestatteten Anlage: rund 30 Millionen Mark.

Mit den eingemotteten Öltankern auf der Geltinger Reede aber haben die Kreationen der Münchner wenig gemein: Die künftigen Gastanker der Bayern sollen nicht aus Stahl, sondern aus Beton bestehen. Eine Großwerft mit hohen Zement-Mix-Anlagen aber, so fürchten die Anrainer des Geltinger Badestrandes, werde das Wasser der Bucht zu einer milchigen Brühe verwandeln und die Luft grau färben.

Entsprechend leise gingen die Bayern, die bereits im Zweiten Weltkrieg für Hitlers Marine Güterkähne und selbst 4000-Tonnen-Frachter aus Beton gebaut hatten, bei der Wahl ihres Werftstandorts vor. Die Bürger und Besucher der Geltinger Bucht hörten monatelang eher gerüchteweise, daß in der Nähe ihrer Anwesen ein ganz gewöhnliches Betonwerk gebaut werde.

Schon das als harmloses Betonwerk getarnte Unternehmen aber forderte selbst bei Gerhard Stoltenbergs Parteibasis Widerstand heraus. So beschloß die CDU-beherrschte Geltinger Gemeindevertretung, die Gemeinde solle den Bau grundsätzlich ablehnen. Der Geltinger CDU-Gemeinderat Heinz Kretschmann gründete mit Naturschützern gar einen Kampfbund „Rettet die Geltinger Bucht“ und machte gegen Landesregierung und Betonbosse mobil.

Die Kampagne der Bürgertruppe ließ sich zunächst auch gut an. Tausende von Mitstreitern trugen sich in ihre Protestlisten ein. Selbst Feriengäste boten Hilfe an und schrieben Brandbriefe an die Politiker des Landes. So drohte Geschäftsführer Ulf Dittrich aus dem badischen Lörrach: „Sollte das Betonwerk auch gegen den Willen der Feriengäste errichtet werden, war ich mit meiner Familie das letzte Mal an der Geltinger Bucht. Ich werde auch keine Mühe und Kosten scheuen, die 200 Touristen, die ich für Ihren Raum gewonnen habe, eingehend zu warnen.“

Die Münchner Betonbosse aber steckten sich derweil hinter Gerhard Stoltenbergs regierende Christdemokraten, die dem strukturschwachen Küstenland die versprochenen 250 Arbeitsplätze verschaffen wollen — auch wenn dadurch einige tausend zahlende Sommergäste ausbleiben. Zunächst einigten sich die Bayern mit Kieler Regierungsbeamten, daß es an der gesamten deutschen Wasserkante keinen wind- und wellengeschützten Werftplatz gäbe, der ihre Ansprüche nach „Wassertiefe, Tiden-Unabhängigkeit und der Nähe einer Schiffahrtsstraße“ erfüllen könnte. Werde ihnen Gelting verwehrt, so hatten die Beton-Bayern gesagt, werde wohl an dänische Gestade auszuweichen sein. Da trat denn Kiels Kabinett zu einer Sitzung zusammen, in der Ministerpräsident Stoltenberg gegen drei Ministerkollegen den Beschluß durchsetzte, „gegen die Ansiedlung eines Werftbetriebes in der Geltinger Bucht aus landesplanerischer Sicht keine Einwendungen zu erheben“.

Die Naturschützer. denen Dyckerhoff-&-Widmann-Ingenieure inzwischen Einzelheiten über das Tankerprojekt ausplauderten, glauben den wahren Grund für die Regierungsentscheidung zu kennen: Jeder andere Werft-Standort in Schleswig-Holstein hätte der Staatskasse Millionensummen aufgebürdet; in der Geltinger Bucht braucht das Land dagegen kaum Vorinvestitionen zu leisten. Zudem beseitigt ein Betonwerk den Landschaftsschutz im Geltinger Gebiet und reizt zu weiteren Industrie-Investitionen — bis hinauf zu Atomkraftwerken.

Dennoch ließen sich die Umweltschützer vertrösten. Bevor sie eine Klage gegen die Landesregierung einreichen — Grund: Verstoß gegen das Landschaftspflegegesetz -, wollen sie mit den Kielern noch einmal um eine Verlegung des Werftstandorts verhandeln.

Hinter den Schiffsbauern, die auf Zeit spielen, steht freilich mehr, als die Geltinger ahnen. Das Betonunternehmen aus Bayern nämlich kooperiert mit der Tampimex, einer riesigen Londoner Ölhandelsgruppe, die groß ins Gastanker-Geschäft einsteigen will. Schon im April, so wissen die Ölleute, ist in Kiel alles gelaufen.

Ende: Der Spiegel 10/1976 vom 10.03.1976

Einer der Hintergründe dieser Aktivität war also wie in dem Artikel beschrieben, dass durch den Bau der Industrieanlage der Landschaftsschutz im Geltinger Gebiet hätte aufgehoben werden müssen.